Im folgenden Interview gibt Henning Krautmacher, der langjährige Frontmann der Kultband „Höhner“, spannende Einblicke in sein Leben und seine Sicht auf das Thema „Helden“. Krautmacher, der ursprünglich eine Ausbildung zum Heilpädagogen absolvierte und über diverse berufliche Stationen, darunter als Schauwerbegestalter und Journalist, in die Musikszene fand, spricht über den Begriff des „Helden“ aus seiner persönlichen Perspektive. Besonders hervorzuheben ist sein Engagement abseits der Bühne, unter anderem für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) sowie die Unterstützung des Lobby-Restaurants für Obdachlose in der Domstraße in Köln. Seit seiner Zeit bei den „Höhnern“ und durch seine zahlreichen Auftritte in verschiedenen Medien hat Krautmacher eine enge Verbindung zu Köln und der Karnevalskultur. In diesem Gespräch beleuchtet er die Vielfalt des Heldentums und was es für ihn bedeutet, sich für andere einzusetzen – ohne dabei den eigenen Vorteil zu suchen.
Lokale Stadthelden®: Liebe Community, wir sind wieder unterwegs für euch. Wir sind hier bei Henning Krautmacher.
Krautmacher: Wir sind hier in den heiligen Hallen. Wisst ihr, wo wir uns gerade befinden? Backstage im altehrwürdigen… ist der Chef da? Nein! Dann darf ich das so sagen – eigentlich heißt es Volksbühne am Rudolfplatz. Aber für mich ist es immer noch das Millowitsch Theater. Hier hat Willy Millowitsch über Jahrzehnten gewirkt und riesige Erfolge gefeiert. Und genau hier sitzen wir und philosophieren ein wenig.
Lokale Stadthelden®: Henning, wenn du an Helden denkst, wer fällt dir da ein?
Krautmacher: Wenn du von Helden sprichst und ich die ersten Namen nennen soll, für mich ist auch Willy Millowitsch ein echter Held. Stell dir das mal vor: Direkt in den Nachkriegsjahren, als Köln noch in Trümmern lag, war er schon hier. Und damals hatte Konrad Adenauer – das hat uns Willy immer erzählt – zu ihm gesagt: „Herr Millowitsch, spielen Sie, spielen Sie, spielen Sie. Die Leute wollen wieder etwas zum Lachen haben.“ Und das hat der Willy dann auch ernst genommen.
Lokale Stadthelden®: Jeder sagt immer „Er ist ein Held und es gibt viele Helden“, aber was genau macht einen Helden aus?
Krautmacher: Erst einmal ist das sehr vielfältig. Für mich ist ein Held definitiv ein Überzeugungstäter. Jemand, der aus tiefstem Herzen überzeugt ist und sich dann für eine gute Sache einsetzt, ohne dabei auf eigenen Vorteil aus zu sein. Diese Uneigennützigkeit ist für mich wohl untrennbar mit dem Begriff „Held“ oder „Heldin“ verbunden. Und da gibt es zum Glück noch einige. Es gibt diejenigen, die die Philosophie vertreten „Tue Gutes und rede darüber“, damit andere es nachmachen. Das bedeutet nicht immer, dass diese Leute damit prahlen wollen, sondern wenn sie wirklich ehrliche Menschen sind, machen sie es, um andere zu inspirieren, ebenfalls Gutes zu tun. Dann gibt es auch die stillen Helden – über die wir ja auch in meiner alten Band, den Höhnern, gesprochen haben – die eher im Verborgenen wirken und keinen großen Wert darauflegen, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Diese stillen Helden sorgen dafür, dass es anderen, und somit auch ihnen selbst, ein bisschen besser geht.
Lokale Stadthelden®: Das ist ebenfalls unsere Meinung. Die wahren Helden stehen nicht im Rampenlicht. Die wahren Helden, wie du sagst, sind die, die aus Überzeugung handeln. Die im Verborgenen etwas tun. Viele machen das, und dann fragt man sich: Sind das wirklich Helden? Oder tun sie das nur, um sich selbst ein Prestige zu verschaffen?
Krautmacher: Ich tue mich schwer mit dem Begriff „die wahren Helden“. Wer entscheidet denn, was Wahrheit ist?Was gut ist? Wann ist es schlecht? Wer hat Unrecht? Wer hat recht? Das ist schon eine schwierige Frage. Ein Beispiel: Markus Wipperfürth, zufällig auch ein sehr, sehr guter Bekannter, ich würde sagen, ein Freund von mir. Markus ist aus tiefster Überzeugung auf seinen Trecker gestiegen und ist ins Ahrtal gefahren. Zugegeben, er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es ihm wirtschaftlich gut ging, aber er konnte sich das auch erlauben, seinen landwirtschaftlichen Betrieb seinen Mitarbeitern zu überlassen und als Chef mit dem Trecker und Frontlader dafür zu sorgen, dass der ganze Schutt weggeräumt wurde. Innerhalb kürzester Zeit hatte er Millionen von Followern. Er wurde plötzlich ein Social-Media-Magnet und das hat ihm irgendwann auch böse zugesetzt. Und das ist auch wieder so eine Sache im Social-Media-Bereich. Dann gibt es Leute, die behaupten, der Mann hätte das aus Eigennutz gemacht. Sie sagen, er habe das nur getan, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Dass er damit Geld verdient hat und ohne das belegen zu können, wird ihm viel Schlechtes nachgesagt. Du machst also etwas, das wir als heldenhaft empfinden, uneigennützig, und trotzdem stellen dir Leute Stolpersteine in den Weg. Wie schade ist das? Das ist genau die Art von Menschen, von denen ich sprach. Die sagen: „Tue Gutes und rede darüber“, nicht um sich selbst als Held darzustellen, sondern damit andere es nachmachen. Und das hat Markus großartig hinbekommen. Nicht lange fragen, einfach machen!
Lokale Stadthelden®: Davon gibt es einfach nicht genug Leute. Und diese Menschen werden blockiert, wenn die Medien anfangen, ihre Taten ins schlechte Licht zu rücken.
Krautmacher: Es sind nicht nur die Medien. Heute fühlt sich ja manch einer als Multiplikator, weil er die Möglichkeit hat, aber er traut sich nicht, Ross und Reiter zu nennen, seinen eigenen Namen zu verwenden. Stattdessen wird unter den absurdesten Pseudonymen auf Instagram, TikTok oder Facebook kommentiert, kritisiert, beschimpft. Fußballer erleben das übrigens auch sehr gut. Wenn es um ihre Mannschaft geht, und du bist vielleicht Gladbach-Fan oder, in meinem Fall, wird mir zugeschrieben, ich sei ein Bayern04-Fan. Da wird keine andere Meinung zugelassen. Das ist ein Thema, an dem wir noch arbeiten müssen. Den Helden, den müssen wir noch finden, der den Leuten mal erklärt: „Leben und leben lassen“ und „Jeder kann machen, was er will“ – nicht immer nur streiten und meckern. Setzt euch hin und seid nett zueinander! Noch eine bessere Geschichte: Ich bin auch ein Kämpfer für die DKMS, die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, weil die, die leiden, eigentlich nur unter dem Irrglauben der Leute leiden. Man kann einem an Leukämie erkrankten Menschen mit einer Stammzellspende das Leben retten. Viele denken, das sei nur durch eine Entnahme von Rückenmark möglich. Das ist völliger Blödsinn. Ans Rückenmark würde ich keinen Menschen lassen. Es geht um Knochenmark, oder es ging mal um Knochenmark. Heute reicht es, sich typisieren zu lassen, um herauszufinden, ob du mit einem Erkrankten kompatibel bist. Ein Wattebausch und ein bisschen Speichel genügen, um festzustellen, in welchen Merkmalen du mit einem Erkrankten übereinstimmst, und dann geht‘s los. Du musst keine OP über dich ergehen lassen. Man kann sich einfach auf so einem Zahnarztstuhl hinsetzen und sich eine kleine Spritze geben lassen. Dann bekommst du eine kleine Pille, die dem Körper vorgaukelt, er habe eine kleine Erkältung, woraufhin dein Körper ganz viele Antikörper und Stammzellen produziert. Diese werden dir entnommen, kommen in die Zentrifuge und werden dann zurück in dein Blutkreislaufsystem eingeführt. Das war‘s. Zwei Stunden später gibt es ein leckeres Essen, und das Blutplasma, das gewonnen wurde, kann einem anderen Menschen auf der Welt das Leben retten.
Lokale Stadthelden®: Das ist ein gutes Thema, das du ansprichst. Mit diesem kleinen Einsatz können viele Leben gerettet werden. Das Bewusstsein muss wieder geweckt werden!
Krautmacher: Ein Beispiel, das ich großartig fand: Es war eine meiner letzten musikalischen Aktivitäten mit der Band. Wir durften mal in Wacken auftreten, und wenn jemand glaubt, die Heavy-Metal-Fans dort wären nur Randale-Typen… das sind die liebsten Menschen auf der Welt. Sie sehen nur alle wahnsinnig aus. Einige kommen sogar in Schottenröcken mit riesigen Bärten. Völlig martialisch. Aber wenn sie feiern, dann richtig. Und in Wacken hat die Kölner DKMS, meine Freundin Simone Henrich, die jedes Jahr dort ist, nicht nur wegen der Musik, sondern weil die einen Stand dort haben. Und jedes Jahr bei „Wacken Open Air“ werden 3000 bis 5000 Menschen typi-
siert. Holger Hübner, einer der beiden Organisatoren, hatte in seiner Crew jemanden, der an Leukämie erkrankt war, und seitdem ziehen sie das durch. Holger Hübner steht einmal die Woche mit der Kölner DKMS in Kontakt und kümmert sich darum. Das ist ihm wichtig. Das sind die wahren Helden, von denen niemand etwas weiß.
Lokale Stadthelden®: Liebe Community, ihr konntet euch ein Bild von Henning machen. Lieber Henning, wir danken dir herzlich, dass wir deine Gastfreundschaft genießen durften!
Krautmacher: Es war schön, dass ihr da wart. Heute gibt es zwei Vorstellungen hier. Aber denkt nicht, dass ich etwas singe, ich lese nur vor.